Unter dem Motto „Generationen der Feigheit müssen vergehen“, trugen gestern rund 400 Teilnehmer der außerparlamentarischen Opposition ihren Protest gegen das herrschende System auf die Straße. Ein System welches sich zum Ziel gesteckt hat, den schleichenden Volkstod nicht aufzuhalten und zu verhindern, sondern ihn lediglich zu verwalten. Und so überraschte es wenig, dass die Demokraten nicht nur im Vorfeld der Demonstration versuchten die Veranstaltung zu behindern. Nachdem zuerst der Rechtsweg zur Durchsetzung der Versammlungsfreiheit beschritten werden musste, setzten sich die Repressionen auch am gestrigen 1.Mai fort. So wurden mehrere hundert Widerstandskämpfer aufgrund eines angeblichen Gleisbrandes nur wenige Stationen vor Hoyerswerda an der Weiterfahrt gehindert. Während am Versammlungsplatz bereits einige hundert Aktivistinnen und Aktivisten ausharrten, setzten sich die Festgesetzten unverzüglich zu Fuß in Richtung Hoyerswerda in Bewegung. So kam es in den Orten Hosena und Lauta auf einer Strecke von etwa 5 Kilometern zu ersten Spontandemonstrationen. Ähnliche Situationen wurden unterdessen auch aus anderen Orten rund um Hoyerswerda, sowie aus Hoyerswerda selbst gemeldet.
Hoyerswerda – die einst kinderreichste Stadt der DDR, die heute zum Rentnerparadies ausgebaut wird. Als vor etwas mehr als zwanzig Jahren der eiserne Vorhang zusammenbrach, da waren es auch in Hoyerswerda Generationen des Mutes, welche sich daran machten die neu erkämpften Freiheiten und Privilegien für sich in Anspruch zu nehmen. Doch kaum jemand hatte damals daran gedacht was der ersten Welle der Euphorie eigentlich folgen würde. So wurden viele Menschen sehr schnell eingeholt von den Realitäten des Kapitalismus. Sie sahen sich plötzlich nicht mehr nur befreit von einer durch den Kommunismus provozierten Mangelwirtschaft und einem Regime welches zur eigenen Machterhaltung seine Bevölkerung einsperrte. Sie sahen sich plötzlich auch befreit von ihren Arbeitsplätzen, befreit von ihren Ersparnissen, befreit von ihrer Identität und Heimat, befreit von ihrer Zukunft. Kaum eine Region Mitteldeutschlands ist dafür beispielhafter als die Region Hoyerswerda. Eine Region deren Bild bis heute geprägt ist von Abwanderung und Arbeitslosigkeit. So wurden über Jahrzehnte hinweg Generationen des Mutes zu Generationen der Feigheit, wurden Menschen die sich heute an das Letzte klammern was ihnen noch geblieben ist. Menschen die es nicht wagen dem herrschenden System auch nur den geringsten Widerstand entgegenzusetzen, die in der Hoffnung leben auf eine bessere, eine wahre Demokratie. Bereits hier muss die erste Erkenntnis erwachsen, die Erkenntnis, dass es keine besseren, keine wahren Demokraten gibt und das wir auch nicht in einer so oft herbei geredeten Scheindemokratie leben. Denn das was wir Tag für Tag erleben, der Ausverkauf von Volkseigentum, die Verfolgung freidenkender Menschen, die Ausbeutung des Arbeiters durch das Kapital – genau das ist Demokratie, genau das sind die Demokraten die unausweichlich den Volkstod bringen. Es wird keine besseren geben.
Dies stellten die Demokraten nun einmal mehr selbst unter Beweis, indem sie mit der Ablehnung der eingereichten Ordner und dem Verbot von Schminke als passive Schutzbewaffnung weiter auf ihre Verzögerungstaktik setzten. Währenddessen landeten auf einer Wiese neben dem Platz zwei Hubschrauber der Bundespolizei und setzten weitere Einheiten ab – eine reine Machtdemonstration die jedoch ins Leere lief. Nachdem immer wieder Gruppen von zuvor aufgehaltenen Teilnehmern eingetroffen waren, setzte sich der Demonstrationszug mit nun 400 Teilnehmern gegen 17 Uhr in Bewegung. Lautstark entfaltete sich nun der Protest und fand tausendfachen Widerhall zwischen den unzähligen Mietskasernen aus denen viele Menschen dem Treiben in ihrer Stadt zuschauen. „Die Demokraten bringen uns den Volkstod“ steht mahnende auf dem Spruchband der Sensenmänner. Hinter ihnen ein Block Arbeiter. Schlosser, Maurer, Bäcker, Straßenbauer, Landschaftsgärtner, ein ganzer Block mit der Losung „Wir bleiben hier“ wie sie schon 1989 erklang. Einheimische Jugendliche begleiteten auf Fahrrädern oder zu Fuß neugierig die Demonstration, fragen nach Flugblättern welche Aktivistinnen am Rande der Marschroute an Passanten verteilen. Auch sie spüren den drohenden Untergang des eigenen Volkes oder zumindest ihrer Heimatstadt, deren Antlitz mindestens ebenso grau und trist scheint wie das Wetter an diesem 1.Mai. Doch auch der einsetzende leichte Regen lässt die Sprechchöre nicht verstummen. Am Platz vor dem Lausitzcenter wird Aufstellung genommen. Der erste Redner tritt ans Mikrofon, erklimmt eine Bank um die Szenerie besser zu überblicken. Seine Worte lassen die einsame Trillerpfeife, die vereinzelten Schmährufe verstummen. Ist das alles was die Demokraten in Hoyerswerda aufzubieten haben? Weitere Sprecher folgen. Ein Mädel verliest einen Brief an die Elterngeneration, halten die Sensenmänner ein übergroßes Spruchband als Mahnung an die Letzten von Hoyerswerda. Es folgen der Rückmarsch und das Ende einer erfolgreichen Mai-Demonstration durch die einst kinderreichste Stadt der DDR, die heute zum Rentnerparadies ausgebaut wird – Hoyerswerda.
Weitere Berichte und Bilder rund um die Demonstration in Hoyerswerda hier.